Museumsschiff kann ab Frühjahr 2011 besichtigt werden Historischer Kettenschleppdampfer „Gustav Zeuner“ erstrahlt in neuem Glanz11.11.2010 11:18 In Anwesenheit von Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper wurde heute die wieder
aufgebaute "Gustav Zeuner" offiziell eingeweiht. Der 1894 gebaute
Kettenschleppdampfer ist in den vergangenen fünf Jahren von Mitarbeitern der
städtischen Beschäftigungsgesellschaft GISE originalgetreu restauriert
worden. Ab Frühjahr 2011 kann die "Gustav Zeuner" besichtigt werden.
"Die ‚Gustav Zeuner' ist ein Schmuckstück geworden", freut sich
Oberbürgermeister Dr. Lutz Trümper. "Als Museumsschiff wird sie ab dem
kommenden Frühjahr ein Anziehungspunkt im Wissenschaftshafen. Mein Dank gilt
allen GISE-Beschäftigten, die das Schiff in mühevoller Kleinarbeit und mit
Liebe zum Detail wieder aufgebaut haben."
Der Kettenschleppdampfer "Gustav Zeuner" wurde 1894 in Dresden gebaut. Bei
einer Länge von 55,13 m und einer Breite über die Spanten von 8,42 m betrug
der Tiefgang leer 0,7 m und beladen 0,95 m. Charakteristisch für die "Gustav
Zeuner" waren die zwei verschiedenen Antriebsmöglichkeiten. Der erste
Antrieb über das Bellingrathsche Greifrad und eine in der Elbe liegende
Kette wurde bevorzugt für die Fahrt stromaufwärts eingesetzt. Die Kette
wurde vom Bugausleger aufgenommen, lief über die Kettenrinne durch das
Greifrad, welches einen Durchmesser von 2,32 m hatte, und wurde über den
Heckausleger wieder in den Fluss abgesenkt. Die beweglichen Bolzen des
Greifrades fassten dabei in die Kettenglieder, wodurch sich der Dampfer an
der Kette entlang ziehen konnte.
Mit dem zweiten Antrieb, zwei Wasserstrahlturbinen nach Zeunerscher Bauart,
konnte der Dampfer auch außerhalb der Kette laufen, was die
Manövrierfähigkeit erheblich verbesserte und ihn in die Lage versetzte, auch
außerhalb der Kette rückwärts zu fahren. Sowohl Greifrad als auch die beiden
Turbinenpropeller wurden durch zwei Dampfmaschinen mit zusammen 180 PS
angetrieben.
Die "Gustav Zeuner" verkehrte von 1895 bis 1931 auf der Elbe. Danach wurde
der Kettenschleppdampfer an den Magdeburger Fährmann Michaelis verkauft und
diente - am Salbker See auf Fundamente gesetzt und mit hölzernen Aufbauten
versehen - unter anderem als Umkleidekabine für eine Badeanstalt,
Vereinsheim und Sportbootsschuppen. Im Laufe der Jahre war der Schiffskörper
aber auch dem Vandalismus und Verfall preisgegeben.
2005 vereinbarten die Jobcenter ARGE Magdeburg GmbH und die städtische
Beschäftigungsgesellschaft für Innovation, Sanierung und Entsorgung (GISE)
unter Mitwirkung der Stadtverwaltung den Wiederaufbau des Kettenddampfers.
Ziel war es, dieses einmalige technische Denkmal, welches schiffs- und
maschinentechnische Meisterleistungen einer ganzen Epoche in sich vereint,
dauerhaft der Nachwelt zu erhalten und zugänglich zu machen.
Am 1. Juli 2005 begann die Beräumung und Entkernung des Schiffskörpers. Der
Rumpf wurde in 17 Sektionen zerteilt und per Schwerlasttransport in eine
Werkhalle umgesetzt. Am 1. Juli 2006 wurde mit der Sanierung der "Scheiben"
begonnen. Weil außer den Resten des Rumpfes nichts mehr vom
Kettenschleppdampfer vorhanden war, mussten auch das gesamte Innenleben und
die Aufbauten nach historischem Vorbild neu gebaut werden. Als Grundlage
dafür standen nur der Rumpf, das Buch über die Kettenschifffahrt von
Zesewitz-Düntzsch-Grötschel sowie eine Zusammenstellungszeichnung und
Einzelansichten zu den Hauptbaugruppen zur Verfügung. Deshalb mussten für
das gesamte Schiff auch Konstruktionsunterlagen neu erstellt werden.
Die sanierten Segmente des Rumpfes wurden anschließend zum
Wissenschaftshafen transportiert und dort wieder miteinander verschweißt.
Parallel dazu erfolgte die Fertigung der Ausrüstungen und Bauteile für den
Innenausbau und die Decksaufbauten. Zu Demonstrationszwecken kann über die
Dampfmaschinen mit Hilfe von Druckluft das Bellingrathsche Greifrad
angetrieben und die Wirkungsweise anschaulich dargestellt werden.
In den vergangenen fünf Jahren waren rund 150 GISE-Mitarbeiter in mehreren
aufeinander folgenden arbeitsförderlichen Projekten mit dem Wiederaufbau
beschäftigt. Gefördert wurden diese Maßnahmen durch die Landeshauptstadt
Magdeburg und die Jobcenter ARGE Magdeburg.
Als Vertreter einer markanten Epoche der Schifffahrt auf der Elbe und
Beispiel hervorragender Ingenieurkunst kann mit dem Museumsschiff "Gustav
Zeuner" ab dem Frühjahr 2011 der einzige erhaltene historische
Kettenschleppdampfer besichtigt werden.
Hintergrundinformationen
Die Epoche der Kettenschleppdampfer nimmt in der Entwicklung der
Binnenschifffahrt einen bedeutenden Platz ein. Kettenschleppdampfer
ersetzten die kleinen, vollständig aus Holz gebauten Elbeschiffe mit einer
Tragfähigkeit von etwa 50 Tonnen, die zur Fortbewegung Wind, Strömung,
Treidler oder Zugtiere nutzten, sowie die noch technisch unzureichenden
Radschleppdampfer, die zudem die kaum regulierten Flüsse nicht oder nur
unter großen Schwierigkeiten befahren konnten. Dagegen konnte mit
Kettenschleppdampfern dem auf Grund der industriellen Revolution
entstandenem Engpass im Transportwesen auf den Binnengewässern begegnet
werden. Die Schleppkette, Voraussetzung für den Einsatz der Schleppdampfer,
lag in der Blütezeit über eine Länge von 734 km von Hamburg bis Melnik in
der Elbe.
1838 nahm die Magdeburger Dampfschiffahrts-Compagnie, die mit ihrer
Maschinenfabrik Buckau außerdem zu den Begründern des Schwermaschinen- und
Anlagenbaus der Stadt gehörte, den Dienst zwischen Magdeburg und Hamburg
auf. In Buckau wurde 1866 mit dem Kettendampfer "No 1" der erste seiner Art
in Deutschland gebaut. Er nahm im selben Jahr den Betrieb auf.
Mit dem Kettenschleppdampfer "Gustav Zeuner" wurde 1894 der erste Vertreter
der zweiten Generation gebaut. Neben dem Antrieb über das Kettenrad und das
Bellingrathsche Greifrad verfügte es mit zwei Wasserstrahlturbinen über eine
zweite Antriebsmöglichkeit.
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