Sepp Krätz- Ein Bayrisches Gesamtkunstwerk wird Schlemmer Atlas Gastronom der Jahres 201122.09.2010 14:09 Wenn man einen Mann wie Sepp Krätz auch einen „geborenen Wirt“ nennen kann, heißt das nicht, dass ihm dieser Beruf gratis „in die Wiege gelegt“ worden ist. Der jetzt vom angesehenen Schlemmer Atlas ausgezeichnete „Gastronom des Jahres 2011“ kam vielmehr als Sohn der Bauernfamilie Krätz zur Welt und hat von Jugend an erst die Landwirtschaft durch Mitarbeit kennengelernt.Geboren wurde der katholisch getaufte Josef am 17. Oktober 1954 in Eresried bei Augsburg, da wo Oberbayern und Schwaben sich überschneiden. Das erklärt, warum auch Sepp Krätz zwei echt bayerische Charakterzüge in sich vereinigt: das wirtschaftliche Denken der Schwaben und die Lust der Altbayern am Feiern und Repräsentieren. Diese Mischung ergibt einen Gastronomen als „Gesamtkunstwerk“ für München, die Stadt der Lebensfreude.
Vor den Erfolg haben die Götter bekanntlich den Schweiß gesetzt – auch für Sepp Krätz. Nichts wurde ihm geschenkt, auch kein Wirtshaus, Restaurant oder Biergarten vererbt. Bevor er seinen Traumberuf Wirt erreicht hat, erlernte er das Metzgerhandwerk. Bereits mit 20 Jahren legte er darin in Augsburg als jüngster in Bayern die Meisterprüfung ab. Und was lernt man da für die Gastronomie? Sepp hat gelernt, früh aufzustehen, fleißig, zuverlässig und diszipliniert zu arbeiten, richtig und sauber mit Fleisch, Wurst oder anderen Lebensmitteln umzugehen.
Qualität der Waren ist bekanntlich die halbe Kochkunst. Die nötige Qualität für die Küche erkennen und zwischen Einkauf und Verkauf den angemessenen Preis errechnen zu können, war das Fundament für den Erfolg von Krätz als Wirt.
Mit seinem Fingerspitzengefühl für Qualität und Preis in den Gaststätten kehrt Krätz derzeit quasi an seine Wurzeln zurück. Im elterlichen Betrieb in Eresried und in Zusammenarbeit mit schwäbischen Bauern sowie wissenschaftlichen Tierzuchtexperten und Bayerns Landwirtschaftsministerium baut er die Zucht einer Rinderart mit qualitativ hochwertigem Fleisch neu auf: der weltberühmten japanischen Wagyu-Rasse, auch Kobe-Rinder genannt. Die spätere Kreuzung mit bayerischem Fleckvieh und Allgäuer Grauvieh soll deren Defizite ausgleichen und den Preis dieses teuren Fleisches erschwinglicher machen.
Was man sich aus kleinen Anfängen selbst erarbeitet, macht einen Menschen stark und das hat auch dem Metzgermeister Krätz viel Selbstbewusstsein mitgegeben. Das zeigt sich in der Gelassenheit und Ruhe, mit der er das Personal führt und in seinem humorvollen Lächeln im Umgang mit Gästen. Auch darin steckt sein Geheimnis, warum so viele hochgestellte oder nur prominente Leute gern zu ihm kommen: Ein bayerischer Wirt buckelt vor niemandem und schmeichelt nicht unterwürfig, sondern begegnet allen Gästen gleich freundlich und liebenswürdig. Echte Prominente oder Stars mögen kein auffälliges Getue. Krätz erkennt und begrüßt in seinen Betrieben jeden Stammgast und gibt als Hausherr nach Möglichkeit jedem das Gefühl, bei ihm einen besonderen Platz und einen individuellen Service zu bekommen.
Nach seiner Ausbildung zog Metzgermeister Sepp Krätz nach München und arbeitete hier ab 1974 erst im Hofbräukeller nahe am Bayerischen Landtag und später im beliebten Hirschgarten in seinem erlernten Beruf. Hier übte er auch die Kunst des Schankkellners ein – für einen Wirt und erst recht einen „Banzenbaron“ auf der Wiesn überlebenswichtig! Auch als Biergartenmanager erlernte er hier die Organisation von Personal, Waren und Plätzen in einem in München besonders emotional erlebten, voll von Wetterlaunen abhängigen Freiluftbetrieb, für den man „ganz vui Gfui“ und zuverlässige Mitarbeiter braucht.
Sepp Krätz ist nach eigenen Worten nur als Beispiel von vielen erfolgreichen und preiswürdigen Kollegen in München und Bayern ausgezeichnet worden. Was einen Gastronomen von einem guten Wirt unterscheidet, ist entweder der gehobene Anspruch oder eine Mehrzahl von Betrieben. Nimmt man nur die drei „Flaggschiffe“ des Unternehmers Krätz, nämlich die Waldwirtschaft, den Andechser am Dom und das Wiesnzelt Hippodrom, so fällt auf, dass er in jedem Betrieb ein anderes Konzept mit anderen Schwerpunkten und für andere Zielgruppen umgesetzt hat: von der Ausstattung über die Speisekarte bis zum Publikum.
Den ersten Schritt zum selbständigen Wirt riskierte Sepp Krätz im Oktober 1981 als Pächter der historischen Waldwirtschaft in Großhesselohe, die er aus einem längeren Dornröschenschlaf aufweckte. Den bis dahin eher als Männerdomäne verstandenen Biergarten dort hat er der neuen Zeit angepasst: Speisen und Getränke für die ganze Familie, ein Kinderspielplatz dabei, freundlicher Service und nicht zu laute Jazzmusik live lösen eine Art Feierabend-Wohlgefühl aus. Das lieben die Stammgäste in ihrer „WaWi“, die für sie fast zum Kult wurde. Das für viele Münchner beliebte Ausflugslokal wurde für Sepp Krätz zum ersten Erfolg. Als Nachbarn einen Streit um die Öffnungszeiten anzettelten, begann 1995 hier – von Krätz angeführt – die legendäre „Münchner Biergarten-Revolution“. Die machte 20 000 Münchner zu einer Demonstration mobil, die Waldwirtschaft bayernweit bekannt. Sie nahm schließlich ein gutes Ende: Bayerns Biergartenkultur ist heute Gesetz und in Deutschland ein Begriff.
Den zweiten Schritt vom Stadtrand mitten in die Innenstadt wagte Krätz 1994 als Gründer des Andechser am Dom als Gasthaus mit einer neuen Konzeption. „Ob Mensch oder Preiss“, wie der Schichtl auf der Wiesn seine „Hinrichtungen“ anpreist, ob Münchner oder Besucher, sie finden mitten in der Hektik des Zentrums direkt am Dom eine kleine, aber feine Gaststätte mit Wirtsgarten: eine altbayerische Oase der Gemütlichkeit als kommunikativen Treffpunkt. Das Andechser Klosterbier weckt sowieso in jedem Münchner gleich Ausflugsstimmung; essen kann man dort bayerisch und doch leicht, serviert wird schnell, aber dennoch kein Fastfood.
Die Krönung seines Erfolges als Gastronom erhielt Sepp Krätz nur ein Jahr später mit dem Aufstieg zum Wiesnwirt. Er bekam die Konzession für ein altbekanntes und besonderes Festzelt auf dem Oktoberfest: das Hippodrom. Das war ursprünglich seit 1902 eine bewirtschaftete Reitbahn mit längerer Öffnungszeit. Darin konnten auf dem Rücken der Pferde stolz schwankende Herrenreiter ihre Künste und angeschickert hopsende Dämchen ihre Unterröcke zeigen – alles zur Belustigung des Publikums. Ab 1988 gab es statt Pferden in der Manege nur noch ein kleines Pferdekarussell. Krätz gestaltete dann ab 1995 als neuer Festwirt das Zelt um und 1996 bekam er anstelle der Nachtkonzession einen Biergarten mit 1000 Sitzplätzen dazu.
„Eine Schau“ ist das Hippodrom freilich immer noch: mit bester Qualität der Speisen und Getränke, flottem freundlichen Service, diskret abgeschirmter Promi-Pflege und trotz ausgelassener Stimmung mit einem gesittetem Umgang im Publikum. Das bringt internationales Flair, Stars aus dem Showbusiness und die locken wieder die Medien an. So pflegt Sepp Krätz die Tradition ganz ohne Luxus in moderner Form weiter wie in allen seinen Betrieben, gepaart mit dem höchsten bayerischen Qualitätsanspruch: „Es gibt nix Bessers als was Guats!“
Text: Hannes Burger |