Passend: Urlaub in Bremen (Deutschland)

Eiswette und andere Bremer Bräuche
An der Weser beginnt das neue Jahr mit vielen Traditionen

30.11.2010 17:26
Tapfere Schneiderlein, die inklusive Bügeleisen genau 99 Pfund wiegen dürfen, Spaziergänger mit Bollerwagen mitten im Winter und Herren in Frack und Zylinder – in Bremen gibt es so manchen kuriosen Brauch. Die Bremer testen die Weser bei der Eiswette, gehen auf Kohlfahrt, veranstalten die Schaffermahlzeit und fegen die Domtreppen. Besonders zu Beginn des Jahres reiht sich eine Tradition an die nächste. Beim „Bremer Traditionsmahl“ der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) können diese Bräuche nachempfunden werden. Das Sechs-Gänge-Menü für 36,50 Euro pro Person entspricht den Speisen der Schaffermahlzeit und wird mit jeder Menge Informationen zu Bremer Traditionen gespickt.

Alljährlich am 6. Januar, Schlag 12 Uhr, marschieren etwa fünfzehn honorige Herren in dunklen Gewändern und weißen Lockenperücken zum Punkendeich an die Weser. Sie warten auf die Heiligen Drei Könige sowie ein Schneiderlein, das genau 99 Pfund wiegen darf – inklusive des heißen und dampfenden Kohlebügeleisens, das er der Hand zu halten hat. „Geiht oer steiht“ die Weser? Das ist hier die große Frage. Denn bei der Bremer „Eiswette“, eines von Bremens ältesten und kuriosesten Brauchtümern, wird seit 1829 die Weser nach Strich und Faden auf ihre Wintertauglichkeit geprüft.

Der Zeremonienmeister prüft zunächst das Gewicht des tapferen Schneiderleins, erst danach darf dieser sich an seine verantwortungsvolle Aufgabe machen. Aber bevor er versucht, trockenen Fußes auf die andere Flussseite zu kommen, muss er sich noch lauthals über allerlei Merkwürdigkeiten und Unverfrorenheiten des vergangenen Jahres äußern. Ob bremische Obrigkeiten oder Weltkonzerne – da kriegt jeder sein Fett weg.

Doch nun zur eigentlichen „Eisprobe“: Wenn die Weser „steiht“, kann ein 99 Pfund schwerer Schneider mit Bügeleisen in der Hand trockenen Fußes ans gegenüberliegende Ufer gelangen. Der listige Textilienmeister verlässt sich für seine Flussüberquerung aber schon lange nicht mehr auf den Wettergott. Er lässt sich mit einem Seenotrettungskreuzer der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) unversehrt ans andere Ufer bringen. Im Gegenzug für diese Gefälligkeit sorgt das Schneiderlein dafür, dass einige Tage nach der Eiswette beim Eiswett-Stiftungsfests für die Seenotretter gesammelt wird. Auf diese Weise erhält die DGzRS, die sich ausschließlich aus Spendengeldern finanziert, ihre größte jährliche Einzelspende. Mehr als 150.000 Euro kommen pro Jahr zusammen. Während die Eiswette öffentlich zugänglich ist und Jahr für Jahr Besuchermassen an den Punkendeich lockt, können am Stiftungsfest nur geladene Herren (!) teilnehmen.

Übrigens bildet die Eiswette nur den Auftakt zu zahlreichen weiteren Bremer Bräuchen. Gerade in den ersten Monaten des Jahres treffen sich viele Hanseaten von der Weser zum Kohl essen. Besonders häufig sind Gruppen zu sehen, die vor dem deftigen Essen, auf sogenannte Kohlfahrt gehen – obwohl die Strecke meist zu Fuß zurückgelegt wird: Im Gepäck sind jede Menge Spiele und natürlich Korn oder anderer Schnaps. Wer es den Bremern nachmachen möchte, kann bei der BTZ eine Kohl- und Pinkelparty (an Land für 19,50 Euro pro Person) oder eine Kohl- und Pinkelfahrt (auf dem Schiff für 32,50 Euro pro Person) buchen.

Auf so einer Kohltour war vermutlich jeder Bremer schon einmal. Beim ältesten Brudermahl der Welt, der Schaffermahlzeit, sind allerdings nur wenige Bremer mit von der Partie. Nur die „Schaffer“, drei kaufmännische Mitglieder des „Haus Seefahrt“, welches die Veranstaltung ausrichtet, sind traditionell aus Bremen. Zudem dürfen 100 kaufmännische Mitglieder des Hauses Seefahrt, die schon „geschafft", also das Mahl bereits einmal ausgerichtet haben, rund 100 seemännische Mitglieder und 100 Ehrengäste teilnehmen. Frauen haben nur ausnahmsweise Zutritt zum traditionellen Brudermahl: 2004 durfte zum ersten Mal eine Frau an dem Schaffermahl teilnehmen, eine Kapitänin. Als Bundeskanzlerin war Angela Merkel im Jahr 2007 als erster weiblicher Ehrengast mit von der Partie. Die Ehrengäste dürfen übrigens nur einmal im Leben bei der Schaffermahlzeit dabeisein (einzige Ausnahmen bisher Theodor Heuss und Horst Köhler, die jeweils in unterschiedlichen Funktionen an dem Mahl teilnahmen, weshalb die strengen Regularien nicht verletzt wurden).

Unter Bremer Junggesellen ist der Frack auch außerhalb der Schaffermahlzeit das Kleidungsstück der Wahl. Nämlich dann wenn der 30. Geburtstag vor der Tür steht und keine Eilhochzeit geplant ist. Wer diese magische Altersgrenze überschreitet ohne verheiratet zu sein, muss nämlich in Frack und Zylinder die Domtreppen fegen bis er von einer Jungfrau freigeküsst wird. Bei der (erheblich jüngeren) emanzipierten Gegenveranstaltung müssen unverheiratete Damen an eben jenem Geburtstag die Klinken des Gotteshauses putzen.

Weitere Infos unter: https://www.bremen.de/tourismus
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