theALPS: Alpentourismus –
Aufbruch statt Stagnation

14.09.2010 12:42
Nach dem politischen Treffen der Vertreter der Bundesländer Tirol, Salzburg, Vorarlberg, Kärnten, Oberösterreich, Südtirol, Trentino, Belluno, Bayern, Liechtenstein sowie der Schweizerischen Kantone Graubünden und Wallis und der Unterzeichnung des „Innsbrucker Manifests der Alpenländer zur tourismuspolitischen Zusammenarbeit“ ging die Prologveranstaltung „The Alps“ mit einem hochkarätig besetzten Symposium am Montag Nachmittag in die zweite Runde.

Gastgeber und Landeshauptmann von Tirol, Günther Platter, kündigte an, dass das politische Treffen der Vertreter der Alpenregionen auch im kommenden Jahr, im Rahmen von "theALPS" stattfinden werde. Bis dahin würde man sich bemühen, auch die Außenminister der betroffenen Länder für die touristischen Herausforderungen der Alpenländer zu sensibilisieren.

Alpentourismus – Stagnation oder Aufbruch?
Zum Auftakt des Symposiums präsentierte Mag. Hubert Siller, Professor am Management Center Innsbruck und Leiter des MCI Tourismus, Erfolgsfaktoren, Zahlen und Fakten im alpinen Tourismus. Untersucht wurden acht alpine Länder, namentlich Slowenien, Österreich, Italien, Schweiz, Liechtenstein, Deutschland (Bayern), Frankreich und das Fürstentum Monaco. Im Tourismusjahr 2008 wurden in diesen Staaten rund 375,5 Mio. Übernachtungen gezählt, davon entfiel mit jeweils mehr als 100 Mio. der Großteil auf die Länder Österreich und Italien. Der Marktanteil der untersuchten acht Alpenstaaten am Gesamtnächtigungsaufkommen der EU-27 liegt damit bei mehr als 16 Prozent.

Zu den nächtigungsstärksten Alpenregionen zählen Rhone-Alpes (F) mit 47,7 Mio., Tirol (A) mit 43,8 Mio. und Südtirol (I) mit 27,7 Mio. Übernachtungen im Jahr 2008. In den österreichischen Bundesländern Tirol, Salzburg und Vorarlberg sowie in den Schweizer Kantonen Wallis und Graubünden dominiert die Wintersaison. Österreich liegt mit jährlich rund 53 Mio. „Skier Days“ hinter Frankreich europaweit sogar an zweiter Stelle.

Als Erfolgsfaktor im alpinen Tourismus ist, so Hubert Siller, in erster Linie die authentische Verbindung von Lebensraum und Erholungsraum zu nennen. „Zudem sind die meisten wichtigen und starken Marken Winterdestinationen“, ortete Hubert Siller Nachholbedarf im Bereich Sommer- und Ganzjahrestourismus. Last but not least werden die alpinen Destinationen weltweit für ihre ausgeprägte Berg-, Wander- und Wintersportkompetenz geschätzt. „Alles in allem kann aber gesagt werden, dass das „Jahrhundertglück“ Wintertourismus uns dieses hohe Maß an Exklusivität und die starke Wertschöpfungsleistung in den Alpen gebracht hat“, resümierte Siller seinen Zahlenstreifzug durch den alpinen Tourismus.

Kirchturmdenken ist Vergangenheit
In einer kurzen Podiumsdiskussion beleuchteten Martha Schultz (Unternehmerin und Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich), Sabine Gerhard (Vizepräsidentin von DERTOUR), Josef Margreiter (Direktor der Tirol Werbung) und Dr. Birgit Pikkemaat (Institut für innovativen Tourismus an der Universität in Innsbruck) die Chancen der geplanten neuen Verkaufsbörse im Rahmen von theALPS 2011. „Es braucht rund um den Begriff Alpen mehr Zusammenarbeit“, zeigte sich Josef Margreiter überzeugt, „wir brauchen authentische Produkte und vor allem – wir brauchen eine gemeinsame Veranstaltung!“ Die touristischen Anbieter in den Alpenregionen sollten diese gemeinsame Plattform nutzen, um ein starkes, gemeinsames Leistungsversprechen an die in Frage kommenden Märkte zu senden.

Die erste reguläre Vollversion von theALPS wird am 6. und 7. Juni 2011 in Innsbruck stattfinden, danach alle zwei Jahre an unterschiedlichen Orten im Alpenraum. Eine fachkundige Jury wird einen eigenen Award für innovative Alpen-Tourismusprojekte und –produkte vergeben. Dazu kommt als Herzstück die Verkaufsplattform „theALPS – a new way of trading“. „Wir wollen nicht, dass sich alpine Touristiker in Kojen verkriechen und warten, dass jemand vorbeikommt. Wir wollen eine offene und selbstbewusste Präsentation mit viel Platz für Kommunikation“, skizzierte Projektleiter Thilo Bohatsch die Strategie. Ebenso wichtig wie die Verkaufsveranstaltung selbst sei aber auch die Datensynchronisation und die Evaluierung des Verkaufsraums in nachhinein, damit „theALPS“ systematisch weiter entwickelt werden könne, so Bohatsch.

Die Alpen – Playground of Europe
Im 19. Jahrhundert bezeichneten die Briten die Alpen als den Spielplatz Europas. Mit welchen Chancen die alpinen Destinationen heute rechnen dürfen und welche Herausforderungen sie anzunehmen hätten, beleuchtete der Schweizer Zukunftsforscher David Bosshart.
„Klein, reich, sicher, kühl“ – das sind nach Bosshart vom Gottlieb Duttweiler Institut in der Schweiz jene Attribute, die künftig im globalen Wettbewerb zählen. Für die Alpen sieht er vor allem im Lebensstil eine Reihe von Herausforderungen, die in Chancen verwandelt werden können: so müsste der Tourismus beispielsweise Werte setzen und damit die Erfolgsposition als „Lebensqualitätsführer“ ausbauen. „Wir haben eine realistische Chance im Playground Europe zu spielen und neue Mythen in den Alpen zu kreieren“, ist Bosshart überzeugt. Mythen mit Substanz würden in einer hypomodernisierten Welt immer wichtiger. Dazu zählen auch Natursehnsüchte, denn je mehr Menschen in den Städten leben, desto mehr sehnen sie sich nach Ursprünglichkeit und Wildnis. So wird Wasser in den alpinen Regionen beispielsweise ein dominantes Tourismusthema der kommenden Jahre sein.

Rückkehr der Landwirtschaft
In der Rückkehr zur Agrikultur sieht Bosshart mehr als nur temporäre Romantik: „Landwirtschaft hat einen stark sozialen Aspekt, da geht es um Landschaftspflege und Landschaftserhaltung. Meiner Meinung nach haben rurale und alpine Lebensstile die Chance auf Neuinterpretation“, so der Trendforscher. Als Beispiele nennt er die Renaissance der Tracht in der Mode oder den Siegeszug der Volksmusik. Gerade in alternden Gesellschaften sei es aber enorm wichtig, „zeitlose“ Produkte auf den Markt zu bringen, die nicht nach Alter differenzieren. Als weiteren Megatrend für die Alpen nennt David Bosshart „Flexicurity“, also eine Mischung aus Flexibilität und Sicherheit, wie sie sich in maßgeschneiderten Abenteuerangeboten findet. Für eine Revitalisierung des alpinen Lebensstils, so das Resümee von David Bosshart, braucht es Mythen und tief verwurzelte Vorstellungen, neue Symbolik und Rituale, die die Sehnsuchtsfelder der Menschen befüllen und die bewusste Kapitalisierung von Gegentrends: in einer globalisierten, ärmeren, unsicheren und wärmeren Welt zählt das Kleine, Reiche, Sichere und Kühle. „Wenn Sie wirklich über die Zukunft der Alpen diskutieren wollen, dann Think big, Think long term, Think making history“, so Bosshart abschließend.

Alpen als phantastische Kulisse
Der deutsche Markenexperte Klaus Brandmeyer warf beim Symposium der Prologveranstaltung „theALPS“ einen inspirierenden Blick auf das Markenpotenzial der Alpen.
„Die Marke Alpen ist wahrscheinlich die älteste touristische Marke der Welt“, so Brandmeyer. Die Images, die Klischees, die mit den Alpen bis heute verbunden sind, werden von Markenartiklern gerne zur positiven Darstellung ihrer Produkte verwendet. Daraus resultiert ein respektables Maß an Chancen für die alpinen Tourismusdestinationen.

Marken brauchen Evolution
Essentiell, so Brandmeyer, sei die Authentizität: „Marken müssen selbstähnlich erscheinen.“ Es gilt, die Erwartungen der Kunden zu erfüllen (im Idealfall über-zu-erfüllen) und alles auszuschalten was irritieren könnte. Selbstähnlichkeit lässt Mutationen zu, damit Evolution möglich wird. Und Markensysteme sind zur Evolution verpflichtet, weil sie lebende Systeme sind. Doch darf die Weiterentwicklung der Marke nicht zu rasch oder zu umfangreich erfolgen, weil dadurch die Vertrautheit gestört wird, die wiederum das Vertrauen der Kunden bindet.
Für die Touristen sind die Alpen eine gigantische und phantastische Kulisse, die man ihnen bequemer zugänglich machen kann. „Man kann die Touristen von heute nicht zurückerziehen zu Bergsteigern“, ist Klaus Brandmeyer überzeugt, „und man versündigt sich auch nicht, wenn man die Berge für sie inszeniert.“

Markensysteme, so der abschließende Gedanke in Brandmeyers Vortrag, brauchen Regeln, die vor Abweichungen im Erfolgsmuster schützen. Es müssen immer wieder dieselben positiven Assoziationen in den Köpfen der Kunden entstehen.
Die Marke Alpen ist ein besonderes Gut, ein hochkomplexes Gebilde, ein Gemeinschaftsgut. Wie lässt es sich egoistisch nutzen und gleichzeitig bewahren? „Gemeinschaftliche Konventionen“, ist Brandmeyer überzeugt, „sind die bessere Alternative.“ Für „theALPS“ gilt es, diese Form der gemeinschaftlichen Vernunft zu entwickeln.

Future Mountain International: Thesen für den Alpentourismus
Im Rahmen des Symposiums präsentierte der Verein Future Mountain International seine Thesen zur Zukunft des Alpentourismus. Der Verein ist aus der so genannten „Söldener Runde“ rund um den Seilbahn- und Tourismusvisionär Jakob Falkner entstanden: ein Dutzend Fachleute aus der Seilbahn- und Winterindustrie, aus Tourismusorganisationen, aus Wissenschaft & Forschung sowie anderen affinen Branchen beschäftigt sich mit aktuellen Themen und Herausforderungen rund um das Thema Bergtourismus.

Vier Thesen für die Zukunft des Alpentourismus: Future Mountain International
1. Ohne die Erträge des Winters können wir den Sommer nicht entwickeln.
2. Im Winter sind die Seilbahnen der Motor der regionalen Tourismusentwicklung, im Sommer braucht es das volle Engagement aller Leistungsträger.
3. Professionelles Unternehmertum und Spitzenleistungen sind entscheidend für den künftigen Erfolg und müssen daher auf allen Ebenen unterstützt werden.
4. In der Neuentdeckung des alpinen Life-Style liegt eine gewaltige Chance für Alleinstellung.

Zu 1). Vor dem Hintergrund der touristischen Wertschöpfung ist das Wintergeschäft im alpinen Tourismus aus heutiger Sicht unverzichtbar. Es gilt, weitere und verstärkte Maßnahmen zu setzen, um den Sommer sukzessive aufzubauen. Im Moment fehlt die Kraft für den eigenständigen Aufbau einer tragfähigen Sommersaison bzw. – darüber hinausgehend – für die Erreichung des Ziels „365-Tage–Berg“. Der Sommer ist dort erfolgreich, wo es gelingt, aus der Summe zahlreicher Einzelleistungen ein attraktives und marktfähiges Produkt zu bündeln.

Zu 2). Die Seilbahnen haben in den alpinen Regionen eine einzigartige Erfolgsgeschichte geschrieben, was die Entwicklung des Winterprodukts betrifft. Die Erwartung, dass diese Branche nunmehr eine ähnliche Leistung für die Entwicklung der Sommersaison erbringen kann, ist unrealistisch. Die Seilbahnen sind nicht in der Lage und haben auch nicht die Aufgabe, die für einen nachhaltigen Aufbau der Sommersaison bzw. der Ganzjahressaison notwendigen Investitionen alleine zu tragen. Dazu kommt, dass es in der warmen Jahreszeit „Kapazitätsprobleme“ am Berg gibt. Um diese zu lösen, bzw. um ein attraktives Bergprodukt zu kreieren, braucht es neue Konzepte und neue Lösungsansätze.

Zu 3). Für den weiteren Erfolg des alpinen Tourismus ist eine schleichende Nivellierung nach unten absolut kontraproduktiv. Es gilt, jene Unternehmer zu stärken, die Initiative zeigen und auch bereit sind etwas zu riskieren. Kurz: Es sind die Starken zu stärken, damit sie für die Schwächeren den Boden aufbereiten.

Zu 4). Der alpine Life-Style (alpine Life-Culture) hat zahlreiche Facetten, die in der Marktkommunikation überhaupt nicht oder noch zu wenig berücksichtigt werden. Alpiner Lifestyle bedeutet:
- Alpine Lebenskultur und Lebensstil
- Miteinander von Erholungs- und Bewegungsraum
- Einzigartige Naturkulisse und Outdoor-Erlebnisse
- Klimatisch begünstigtes Feriengebiet für Europa – 4 intensive Jahreszeiten
Der Verein Future Mountain International wird sich weiter um konkrete Lösungsansätze für den Alpen- und Bergtourismus bemühen.

Informationen zu „theALPS“
Getragen wird die Premiere von "theALPS" neben den Initiatoren Wirtschaftskammer Tirol, Tirol Werbung mit Land Tirol und Tourismusverband Innsbruck, von zahlreichen starken nationalen wie internationalen Partnern wie der Österreich Werbung, der Wirtschaftskammer Österreich, Tiroler Raiffeisenbanken, Austrian Airlines, feratel media technologies AG, den Landestourismusorganisationen der österreichischen Bundesländer Vorarlberg, Salzburg, Kärnten und Steiermark, Wallis Tourismus (Schweiz), Bavarian Alps (Deutschland), Autonome Provinz Bozen - Südtirol, sowie BOTA – Best of the Alps, dem grenzüberschreitenden Marketingverbund führender Alpindestinationen wie Chamonix Mont-Blanc, Cortina d’ Ampezzo, Davos, Garmisch Partenkirchen, Grindelwald, Kitzbühel, Lech Zürs am Arlberg, Megève, Olympiaregion Seefeld, St. Anton am Arlberg, St. Moritz und Zermatt.
Ergänzt wird die Veranstaltung um eine gleichermaßen innovative wie internationale Verkaufs-Börse sowie dem „theALPS-Award“, mit dem künftig alle zwei Jahre die erstaunlichsten Tourismusprojekte der Alpen im Rahmen von „theALPS“ ausgezeichnet werden.
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