13.02.2017 16:29Bis zu 30.000 Patienten sterben in deutschen Kliniken jedes Jahr an den Folgen einer Infektion mit Krankenhaus-Keimen. Eine Regensburger Innovation könnte diese Zahl zukünftig deutlich reduzieren. Erste Praxistests sind viel versprechend.
Titelbild: Ostbayerische Forscher entwickeln spezielle Proteine, die die Krankenhauskeime zerstören. Foto: obx-medizindirekt/Biopark Regensburg GmbH
Regensburg (obx-medizindirekt) - 400.000 bis 600.000 Patienten infizieren sich jedes Jahr in deutschen Krankenhäusern mit gefährlichen Keimen. Das Dramatische: Bis zu 30.000 Menschen sterben an den Infektionen, die diese Keime auslösen, schätzt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene. Seit Jahren versuchen Kliniken, Medizin und Wissenschaft, den Kampf gegen die oftmals tödlichen Keime zu gewinnen - bisher weitgehend ohne durchschlagenden Erfolg. Umso mehr lassen die Ergebnisse aufhorchen, die ostbayerische Forscher jetzt präsentieren: Dort entwickeln Wissenschaftler spezielle Proteine, die die gefährlichen Bakterien zerstören.
Multiresistente Bakterien, gegen die herkömmliche Antibiotika unwirksam sind, gelten insbesondere in der stationären Krankenversorgung als zunehmendes Problem. Infektionen gehören zu den am meisten vorkommenden Komplikationen eines Krankenhausaufenthaltes. Am häufigsten treten Infekte der Harnwege, Lungenentzündungen und Wundinfektionen nach operativen Eingriffen auf.
Als letzte Therapiemöglichkeit kommt bei multiresistenten Bakterien in Kliniken immer häufiger das Reserve-Antibiotikum Colistin zum Einsatz. Doch inzwischen gibt es Bakterienstämme mit einem Keim (mcr-1), gegen die sogar dieser letzte Ausweg nicht mehr hilft: Stämme mit dem mcr-1-Gen sind auch gegen Colistin resistent - und gelten daher als besonders gefährlich. Die Weltgesundheitsorganisation warnte bereits vor einer "post-antibiotischen Ära".
Das Regensburger Biotech-Unternehmen Lisando forscht seit 2009 an neuartigen antibakteriellen Wirkstoffen im Kampf gegen bakterielle Krankheitserreger. Der Durchbruch könnte mit so genannten lytisch wirkenden Proteinen gelingen, glauben die Verantwortlichen im BioPark Regensburg. Die High-Tech-Proteine der ostbayerischen Forscher könnten sogar gegen den besonders widerstandsfähigen Keim "mcr-1" ankommen.
Kern der Regensburger Innovation sind maßgeschneiderte Proteine, die Bakterien durch einen mechanisch-physikalischen Mechanismus wirkungsvoll zerstören. Diese Wirkstoffe, sogenannte Artilysine, können sich an der Zellwand der Ziel-Bakterien anlagern und diese Zellen destabilisieren. Die Folge: In Bruchteilen von Sekunden zerplatzen diese aufgrund des hohen osmotischen Innendrucks. Neueste Forschungsergebnisse belegen nach Angaben des Unternehmens, dass diese Technologie auch den "Superkeim" mcr-1 erfolgreich eliminiert. Lisando-Entwicklungsdirektor Dr. Manfred Biebl ist zuversichtlich, "mit den Artilysinen eine wirksame Plattformtechnologie speziell im Kampf gegen multiresistente Erreger zur Verfügung stellen zu können."
Lisando beschäftigt in Regensburg heute 16 Mitarbeiter und ist Teil des Liechtensteiner Unternehmens Lysando, das sich auf die Entwicklung lebensrettender Proteine spezialisiert hat. Zum Unternehmen gehört auch eine thailändische Tochter, die Forschungsprojekte in Asien koordiniert.