16.06.2014 14:53Ein schroffer Allgäuer Kalkzahn ist die Alpspitze, der Hausberg von Nesselwang, nicht gerade. Eher unscheinbar – sanft geschliffen und schön grün. Allgäu-Idylle mit Enzianwiesen, Schellengeläut des Braunviehs und rauschende Bäche. Auch die Anfahrt von Norden her führt nicht über steile Serpentinen, sondern über leicht hügeliges Land. Trotzdem ist die Alpspitze zusammen mit seinem Nachbarn, dem Grünten, Namensgeber des Trilogieraumes „Panoramalogen“. Denn auf dem 1575 Meter hohen Gipfel erwartet Wanderer ein atemberaubendes Panorama auf 360 Allgäuer und Tiroler Berge. Zu Füßen erstreckt sich der nächste Trilogieraum, der „Schlosspark“ mit Blick auf das 8. Weltwunder, König Ludwigs Neuschwanstein. Aber schon beim Aufstieg gibt es spannende Geschichten und verborgene Schätze zu entdecken, die zu einer Reise in die Vergangenheit werden.
Titelbild: Gipfelblick auf der Alpspitze
Bildnachweis: Tourist-Information Nesselwang / Allgäu GmbH
Tarzanfelsen und Einsiedler auf dem Berg
„Dimensionen“ heißt das Ortsthema von Nesselwang. Damit ist zunächst die zeitliche Dimension gemeint, denn hier ist leicht sichtbar, wie sich die Landschaft über Jahrmillionen verändert hat. Während der Gletscherschmelze entstand der Wasserfall, der 90 Meter in die Tiefe stürzt und bei Sonneneinstrahlung ein wunderschönes Naturschauspiel an die Tarzanfelsen zaubert. Die steile Stiege führt durch den engen Tobel in sanftere Gewässer mit vielen kleinen Steinstufen, an denen Wanderer das Wahrzeichen der Wandertrilogie nachbauen: Das Steinmännchen. Anfang des letzten Jahrhunderts lebte hier ein Einsiedler, der Klausner Michael. Er war kein Geistlicher, aber ein sehr naturverbundener Mann. Seine winzige Hütte stand oberhalb des Baches, der sich durch die enge Felsschlucht schlängelt. Die einheimischen Wanderführer wissen viele Geschichten über den Aussteiger zu erzählen. Der Schlossbach umfließt auf 1040 Metern einen Felsen, auf der ein weiteres Stück Geschichte steht: Die Nesselburg – eine Burgruine aus dem 13. Jahrhundert, angelegt von den edelfreien Herrn von Rettenberg. Versorgt wurden die Bewohner mit Getreide von einer der sechs Mühlen, die am Weiterlauf des Baches standen. Die letzte wurde Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts geschlossen. Das reine Gebirgs-Quellwasser wurde auch für die Herstellung von Bier benötigt. Deshalb ist der Wasserfall eine Station des Nesselwanger Brauereiwanderwegs. An 20 Plätzen wird die jahrhundertealte Tradition des Bierbrauens in Nesselwang erzählt.
Ungewöhnlich für diese Region, ist die rote Felsformation ein paar Stiegen oberhalb des Wasserfalls. Wissenschaftlich nicht gesichert, aber dennoch eine spannende Theorie, dass das rote Gestein nach einem urzeitlichen Sandsturm entstand, der Mammuts eingeschlossen hatte. Knochenfunde an der Stelle belegen das eindrucksvoll. Durch die wildromantische Landschaft geht es gesäumt von Stengelenzianen und Disteln bergwärts auf die Alpspitze mit ihrem überraschenden Ausblick und ihren zwei Gesichtern: Steile Berggipfel Richtung Südwesten und flaches Tal bis weit in den Norden. Die schmelzenden Eisschichten schmiergelten zunächst das Gestein der Alpspitze ungewöhnlich rund und bildeten später zu ihren Füßen einen riesigen Gletschersee. Die Hügel, wie z.B. der Auerberg, waren „lediglich“ Kiesaufschürfungen, Moränenhügel, die durch die Bewegung der Eismassen entstanden sind.
Wandern als innere Dimension erfahren
Gletscher, Eisschmelze und Mammuts – das ist die erste „Dimension“ von Nesselwang. Bei dem Ortsthema geht es aber um mehr, um das unmittelbare Erleben dieser Landschaft, der „inneren Dimension“, dem was Wanderer erleben, wenn sie sich auf den Weg machen. Sieben besondere Routen wurden für die Nesselwanger Symbolwege ausgesucht, die das Ortsthema auf einer anderen Ebene eröffnen. Sie sind in einem Wanderbegleiter zusammengefasst, in dem jeder Weg seine eigene Stimme bekommen hat. Kleine, inspirierende Texte regen dazu an, sich beim Gehen tiefer auf die Erfahrung des Wanderns einzulassen, ganz in das Naturerleben einzutauchen und die Schicht unter dem Sichtbaren zu erfahren. Einer der Wege, die Himmel & Hölle-Tour, führt über einen Kreuzweg bis zu einer Lichtung auf halber Berghöhe. Neben der über 350 Jahre alten Linde steht eine der bedeutendsten Wallfahrtskirchen des Allgäus: Die Kirche Maria Trost. Von außen ebenso unscheinbar wie zunächst der Berg, ist sie im Inneren ein wahres Kleinod. Der Einsiedler Rudolf von Grimming brachte Mitte des 17.Jahrhunderts das heute hochverehrte Gnadenbild der Muttergottes hierher, das er unversehrt nach einem Brand aus den Trümmern hob. Immer mehr Menschen pilgerten zu dem Ort. 1725 wurde die heutige Kirche mit ihren verspielten Rokokoelementen und dem barocken Hochaltar gebaut. Die Tradition der Marienverehrung wird jedes Jahr im Mai durch die Allgäuer Trachtenwallfahrt fortgesetzt, an der die Trachtler aus der Region zur Ehrerbietung Mariens zur Kirche pilgern. Dieser Pilgergedanke ist auf dem Hohlweg, der sich mit seinen natürlichen Steinstufen sanft den Berg hinaufschlängelt, deutlich spürbar.
Um das innere Erleben geht es auch beim kleinen „Jakobsweg“, dem GE(h)ZEITEN- Besinnungsweg. Sechs Meditationsstationen regen wie kleine Haltestellen dazu an, bei sich selbst einzukehren und den eigenen Werten und Vorstellungen nachzuspüren. Das Gehen von einer Station zur nächsten symbolisiert die Zeit. Ein Erfahrungsraum mitten in der Natur zwischen Seen, Wäldern und Wiesen, der in die Stille, Mitte und den eigenen Ort der Kraft begleitet. Die GE(h)ZEITEN führen am Attlesee mit seinen Feuchtbiotopen vorbei, die europaweit eine Seltenheit sind. Hier wachsen geschützte Blumen wie die Allgäuer Orchidee, das Knabenkraut, Enziane, Trollblumen und Mehlprimeln.
Für alle Wanderer, die die Wandertrilogie
Allgäu in Nesselwang lieber mit Begleitung erleben möchten, werden von Mai bis Ende Oktober über 160 Touren mit zertifizierten Wander- und Bergführern angeboten. Einige führen direkt auf der Wasserläufer-Route der Trilogie entlang, andere tauchen tiefer in den Mikrokosmos der Allgäuwelt ein. Um die Vielfalt dieser Landschaft erlebbar zu machen, führen die begleiteten Touren zum Allgäuer Alpenglühen oder durch die Vollmondnacht, bieten Einblicke in den Alpsommer und die Arbeit eines Hirten oder es wird altes Wissen über Kräuter und Brauchtümer erzählt. Viele Routen sind untereinander vernetzt, so dass Ziel, Länge und Schwierigkeitsgrad variiert und Rundtouren geplant werden können. Auf den Wegen gibt es viele Hütten – von urig bis luxuriös - zur Einkehr und zum Teil auch mit Übernachtungsmöglichkeit.
Zahlreiche Gastgeber in Nesselwang sind auf die Bedürfnisse von Tourengehern eingestellt und bieten u.a. Trockenraum, Gepäcktransport und eine detaillierte Tourenberatung an. Einige Betriebe tragen das Qualitätssiegel „Wanderbares Deutschland“ und sind zudem Partner der Wandertrilogie Allgäu.
Mehr Informationen und buchbare Arrangements unter http://www.nesselwang.de/wandern-im-allgaeu.html
Kontakt:
Tourist-Information Nesselwang
Hauptstr. 20
87484 Nesselwang
Tel.: 08361/92 30 40
info@nesselwang.de
www.nesselwang.de
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