02.10.2007 08:56Bekannt ist Deutschlands größte Insel für ihre Sandstrände, auch für ihre Bäderarchitektur. Entwürfe für den Leuchtturm am Kap Arkona oder die Uferkapelle Vitt tragen jedoch dieselbe Handschrift wie die Neue Wache oder das Alte Museum in Berlin: Sie stammen vom Preußischen Baumeister Karl Friedrich Schinkel.
Er war seiner Zeit voraus. Und vor allem: "Ein umtriebiger Mensch", sagt Werner Iffländer, Mitglied der Schinkel-Gesellschaft in Rostock-Warnemünde über den Baumeister Karl Friedrich Schinkel (1781-1841). Bekannt ist Schinkel vor allem für seine Berliner Bauwerke: die Neue Wache, das Schauspielhaus oder das Alte Museum.
"Zurück zu Einfachheit und Klassizismus. Billige Bauweise ohne Schnörkel - dafür steht Schinkel", meint Iffländer. Der oberste Baubeamte Preußens sei der Erfinder der Modulbauweise gewesen. "Ein moderner Baukasten-Baumeister." Fast könne man ihn als Vorreiter der Plattenbauten bezeichnen. "Denn Schinkel hat immer ähnliche Ornamente und Formen benutzt." Bei Fenstern oder Fassaden arbeitete er mit Modulen, die sich praktisch an jedem seiner Bauten wiederfinden - und seine in Stein gehauene Handschrift sind.
Wer heute auf Deutschlands größte Insel reist, kann Rügen von Nord nach Süd entdecken und dabei zahlreiche Bauwerke von Karl Friedrich Schinkel besuchen - nicht zuletzt dort, wo Rügen am schönsten ist. Am nördlichsten Punkt der Insel, am Kap Arkona, hat er 1825 einen Leuchtturm entworfen, der 1829 fertiggestellt wurde. In Berlin entstand in diesen Jahren das Alte Museum. Das Leuchtfeuer des Turms auf Rügen bestand aus 17 Scheinwerfern, die von Stubbenkammer bis nach Barhöft strahlten. Heute leuchten am Kap Arkona die Augen von Brautpaaren, die sich im Schinkel-Turm das Ja-Wort geben. "Das ist seit zehn Jahren möglich", erzählt Bürgermeister Ernst Heinemann. Brautpaare können am Fuß des Turms auf einer Steinkachel ihr Hochzeitsdatum verewigen. "Rund 2600 Paare haben sich im Schinkelturm schon getraut. Zum Valentinstag im Februar laden wir wieder zu unserem Hochzeitstreffen ein", sagt Heinemann. Als Vorsitzender des Fördervereins Kap Arkona verleiht er jedes Jahr den Schinkel-Preis. An umtriebige Menschen, die sich durch besonderes Engagement auszeichnen.
Nur wenige hundert Meter Luftlinie vom Kap Arkona liegt das Fischerdörfchen Vitt. Das soll schon im 10. Jahrhundert zur slawischen Tempelburg am Kap Arkona gehört haben. In einer Uferschlucht der steilen Ostseeküste hat sich die berühmteste Sehenswürdigkeit des Dörfchens versteckt: seine achteckige Kapelle. Zu erreichen ist der schlichte Sakralbau nur zu Fuß auf einem Wanderweg von Putgarten. Weil ein Pastor aus Altenkirchen im vorigen Jahrhundert die Fischer einst bei seinen Gottesdiensten vermisste, kam Ludwig Gotthard Kosegarten persönlich zu den Fischern ans Steilufer des Kaps. Seine Predigten hielt er unter freiem Himmel. Zum Schutz gegen Wind und Wetter regte der Pastor den Bau einer Kapelle an, die 1806 nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel entstand und 1816 fertiggestellt worden ist. In dem Jahr, in dem in Berlin der Bau der Neuen Wache begann.
Wenige Jahre später entstand im Südosten der Ostseeinsel inmitten des größten zusammenhängenden Waldgebietes von Rügen das
Jagdschloss Granitz, nahe dem Ostseebad Binz. Das Schloss wurde zwischen 1837 und 1851 im Auftrag des Fürsten Wilhelm Malte I. zu Putbus errichtet. Seine burgenartige Gestalt spiegelt eine mittelalterlich orientierte Romantik wider. Der ausführende Architekt des Baus war zwar Gottfried Steinmeyer. Für die Konstruktion des Mittelturms vermittelte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen jedoch seinen obersten Baubeamten Schinkel, der gemeinsam mit Steinmeyer studiert und Italien bereist hatte. 154 Stufen führen über eine selbsttragende Wendeltreppe aus Eisenguss hinauf zur Aussichtsplattform des 38 Meter hohen Mittelturms. Die Plattform liegt 144 Meter über dem Meeresspiegel. Bei klarem Wetter eröffnet sich ein Rundumblick über die Insel Rügen, deren bizarre Küstenlandschaft und über den Greifswalder Bodden bis nach Usedom. Rund 300 000 Gäste genießen diese Aussicht jedes Jahr.
Über die alte Bäderstraße, die heute teilweise noch mit Kopfsteinpflaster gedeckt ist, führt Touristen der Weg vom Jagdschloss oft in die ehemalige Residenzstadt Putbus. Sie war im 19. Jahrhundert Treffpunkt von Königen und Hochadel. Fürst Wilhelm Malte wollte Putbus nach Vorbild von Heiligendamm und Bad Doberan als Seebad etablieren. Kein anderer als Steinmeyer lieferte Entwürfe für das Badehaus Goor im nahen Lauterbach, den Theaterumbau, Gebäude am Circus oder den Marstall des Schlosses. Deshalb gibt es bis heute Spuren der Berliner Bauschule in Putbus. Von Karl Friedrich Schinkel dagegen stammen die Skizzen zu Umbau und Erweiterung des Putbusser Schlosses. Es wurde 1965 gesprengt. In sehr heißen Sommern sind im verdorrten Gras seine Grundmauern noch erkennbar.
Fürst Malte blickt von seinem Marmor-Denkmal im Park heute ins Leere. "Den Sockel des Denkmals schmücken vier Reliefplatten, die Lebensstationen des Fürsten nachzeichnen. Eine zeigt die Erhebung von Malte in den Fürstenstand. Im Hintergrund ist das Jagdschloss Granitz zu sehen. Davor steht kein anderer als Karl Friedrich Schinkel", erzählt Klaus Grünewald von der Tourismuszentrale Rügen GmbH. Und: "Es gibt Architekturliebhaber, die nur wegen Schinkel nach Rügen kommen."
Tobias Woitendorf, Sprecher des Tourismusverbandes Mecklenburg-Vorpommern sagt über die Bedeutung Schinkels für den Nordosten der Republik: "Dass große Baumeister wie Schinkel oder Steinmeyer ihre Spuren im Norden hinterlassen haben, verleiht dem für Backsteingotik und Bäderarchitektur bekannten Bundesland eine besondere Note und etwas von Preußens Glanz. Zwar kommen die wenigsten Touristen allein wegen des Kulturgenusses nach Mecklenburg-Vorpommern. Trotzdem stehen Kulturerlebnisse weit oben auf der Wunschliste unserer Gäste. Und ähnlich wie Schinkel und andere die Architekturlandschaft Mecklenburg-Vorpommerns bereichert haben, tragen Touristen zur heutigen kulturellen Vielfalt Mecklenburg-Vorpommerns bei."
KATJA MÜLLER
Quelle: Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern