Ötzis Welt -
20 Jahre nach dem Fund des Steinzeitmanns auf dem Tisenjoch

Ötzis Welt -


23.05.2011 10:30
Der älteste Mensch unserer Art ist 1991 aus dem Eis der Ötztaler Gletscher aufgetaucht. Das Ötztal und das Schnalstal stellen „Ötzi“ im Jubiläumssommer gemeinsam und über die Jöcher hinweg in den Mittelpunkt von Ausstellungen und Festen, Vorträgen und Veranstaltungen.

19. September 1991. An diesem Tag entdecken die deutschen Bergwanderer Erika und Helmut Simon bei einer Bergtour von der Similaunhütte auf die Finailspitze eine Mumie, die sich bald als ältester vollständig erhaltener Repräsentant der Gattung Mensch entpuppt. Der wundersam konservierte Mann aus der Steinzeit ist 5300 Jahre alt, trägt Alltagskleidung, Werkzeuge, Waffen - und ist der perfekte Zeuge einer unvorstellbar fernen Zeit.

FORSCHER IM „ÖTZI“-FIEBER
Seit 13 Jahren hat „Ötzi“ in einer Kühlkammer des Archäologiemuseums in Bozen seine Ruhestätte. Die definitiv letzte ist es nicht, denn obwohl bereits eine Hundertschaft von Teams den Eismann erforscht hat, wird „Ötzi“ zwischendurch immer wieder zu Forschungszwecken aus seinem kühlen Grab geholt. Der Archäologe Walter Leitner von der Universität Innsbruck sagt: „Es gibt noch für viele Wissenschaftsdisziplinen viele offene Fragen. Und die jeweils neueste Untersuchungsmethode erbringt noch genauere Erkenntnisse.“ So erforscht derzeit das Team rund um Prof. Albert Zink vom Institut für Mumien und den Iceman an der Europäischen Akademie in Bozen (Eurac) das Erbgut des Eismannes. Die riesigen vorliegenden Datenmengen werden nach ihrer bioinformatischen Aufarbeitung viele Fragen beantworten, etwa jene nach den noch lebenden Nachfahren von Ötzi oder auf Krankheitsveranlagungen und Erbkrankheiten. Auf spannende Ergebnisse noch im Laufe dieses Jahres darf man gespannt sein.

„Ötzi“ hat speziell auch die lokale Archäologie nördlich und südlich der Fundstelle beflügelt. Im Ötztal wurden mehrere steinzeitliche Stätten entdeckt, darunter die Jägerstation am „Hohlen Stein“ bei Vent im Ötztal und ein Jägerlager im Zwickel von Nieder- und Rofental. Grabungen in Obergurgl und am Rofenberg erbrachten ebenfalls die überraschende Erkenntnis: Lange vor „Ötzi“, nämlich schon vor etwa 9500 Jahren kamen Menschen von Süden her in die Alpen, zuerst nur Jäger, zu „Ötzis“ Zeiten auch Händler von Kupfer, Holz, Geweihen, Feuersteinen oder Bergkristallen. Ähnliche Schlüsse lassen die archäologischen Funde im Finailtal zu, das im Schnalstal vom Stausee Vernagt nach Norden hin Richtung Tisenjoch führt, beispielsweise ein großer Schalenstein am Hüttenboden.

STEINZEITFEELING IM BERGSTEIGERDORF
Das Bergsteigerdorf Vent ist die der Fundstelle am nächsten gelegene Siedlung. Seine Ferienangebote stehen im Zeichen von „Ötzi“ und seiner versunkenen Welt. Vorträge über die steinzeitlichen Jäger, Hirten und Bauern, Naturpark-Wanderungen zu Themen wie „Arnika, Ötzi und Co.“ entführen die Teilnehmer in die ferne Vergangenheit. Auch das Rahmenprogramm des Bildhauersymposiums ARTeVENT widmet sich der Archäologie. Beispielsweise zeigt eine Bergbuchausstellung die bisher erschienene „Ötzi“-Literatur im Überblick. Gemeinsam mit Sölden wird Vent den neuen Info-Folder „Unterwegs in Ötzis Umfeld“ präsentieren.

AUF URWEGEN IN DIE FRÜHGESCHICHTE
In Vent, Obergurgl und im Vorderen Ötztal werden entlang der archäologischen Wanderrouten „Auf den Spuren des Mannes im Eis“ neue dreisprachige Kupferstelen mit dem stilisierten Ötzi-Beil errichtet. Diese Urwege führen in Ötztaler und Schnalstaler Hochgebirgslandschaften, die weit gehend so unberührt sind wie zu „Ötzis“ Zeiten. Einer der Höhepunkte für Wanderer wird die viertägige inszenierte Wanderung „Auf Ötzis Spuren“ Mitte August sein, eine gemeinsame Initiative der Ötztaler Dörfer Umhausen mit dem Ötzi-Dorf, Längenfeld, Sölden und Vent sowie der Schnalstaler Institutionen archeoParc Schnalstal, des Kulturvereines Schnals und des Ötztaler Kulturvereins „Pro Vita Alpina". Ausgangs- und Endpunkt der Tour sind die beiden archäologischen Aktivmuseen, die im Ötztal und im Schnalstal das Leben der alpinen Steinzeitmenschen dokumentieren.

STEINZEIT ZUM ANFASSEN IM ÖTZI-DORF
Der Archäologische Freilichtpark des Ötztals liegt in der Nähe von Umhausen im Vorderen Ötztal. Das Ötzi-Dorf ist der Nachbau einer alpinen Steinzeitsiedlung. Dort können die Besucher den Alltag, das Handwerk, die Landwirtschaft, Tierhaltung und die Rituale der Steinzeitmenschen ziemlich authentisch nacherleben. Am 7. Mai eröffnet der Freilichtpark den Festsommer zur Erinnerung an „Ötzi“ mit einer Jubiläumsausstellung. Ende Mai und Ende Juni lädt das Ötzi-Dorf zu Festen mit den Themenschwerpunkten „Stein und Feuer“ und „Pfeil und Bogen“. Drei spezielle Kindercamps entführen im August auch die Kleinen in die abenteuerliche Steinzeit.

ARCHEOPARC MIT FUNDSTELLENBLICK
Das Dorf Unser Frau im Schnalstal beherbergt das archäologische Aktivmuseum archeoParc mit Freigelände und naturgetreu nachgebauten Hütten aus der Jungsteinzeit, von dem aus man direkt hinaufschauen kann zur „Ötzi“-Fundstelle am Tisenjoch. Das Museum lädt mit der Ausstellung „In memoriam - Fotografie von Claire Artemiz“ vom 22. Mai bis zum 31. Oktober ein zu einem Bilder-Spaziergang durch unsere Vergangenheit von den Anfängen menschlichen Seins auf der Erde bis zu den Epochen der frühen Urgeschichte, den die französische, naturwissenschaftlich inspirierte Künstlerin Artemiz mit ihren raffinierten Aufnahmen möglich macht. Die Jubiläums-Sonderausstellung „Steinzeitjagd und Bogensport“ (3. Juli bis 6. November) erzählt die lange Geschichte von Pfeil und Bogen als altsteinzeitliche Jagd- oder Kampfwaffe und als modernes Sportgerät.

WASSERSPIELE MIT DER STEINZEIT
Auf der Seebühne im Stausee von Vernagt feiert die Musikkapelle Unser Frau/Karthaus ihr Gründungsjubiläum und das des Mannes aus dem Eis mit einem Popkonzert am 5. August. Ebenfalls im Programm: Die Aufführung der Fanfare „Der Ruf vom Similaun“. Im Ötztal steigt das traditionelle Stuibenfallfest rund um Tirols größten Wasserfall bei Umhausen am 15. August. In diesem Sommer wird dabei das Ötzi-Dorf einen Aktionsschwerpunkt zur Erinnerung an den Fund des Eismanns setzen.

„ÖTZI“ UND DER JUBILÄUMSGIPFEL
Einstimmung auf das Jubiläum ist ein Diskussionsabend mit Zeitzeugen wie der Finderin Erika Simon am 17. September, der ORF überträgt ihn aus dem Ötzi-Dorf. Höhepunkte sind die gemeinsamen Feste von Schnalstal und Ötztal rund um den eigentlichen Gedenktag. Bereits am 18. September wandern Besucher aus beiden Tälern zum Hüttenabend in die Similaunhütte. In einem Kamingespräch debattieren prominente Persönlichkeiten über das Thema: „Wie hat Ötzi unseren Blick auf das Leben in den Alpen verändert?“

Am 19. September steigt das große Jubiläumsfest an der Ötzi-Fundstelle und bei der Similaunhütte - mit viel Prominenz aus Nord- und Südtirol, mit der Ötzi-Finderin Erika Simon, mit einer Performance des Schauspielers Martin Thaler, mit dem Herbert Pixner Projekt „Musik von diesseits und jenseits des Jochs“ und mit Schmackhaftem aus Ötzis Lebensraum. Wer nicht hoch hinaus will, kann sowohl im Ötzi-Dorf als auch im archeoParc Schnals spezielle Fest- und Sonderprogramme erleben.

ÖTZI UND (K)EIN ENDE
Das Schnalstal beendet das Gedenkjahr mit der internationalen Tagung „Repeat Visitors in Archaeological Open Air Museums“ von 20. bis 23. September. Im Ötztal endet es am 2. Oktober im Ötzi-Dorf mit dem steinzeitlichen Erntedankfest „Opfer und Ritual“. Bis dahin aber wird der einzige Zeuge der Jahrtausende alten Menschheitsgeschichte im Siedlungsraum Ötztaler Alpen den ganzen Sommer lang allenthalben und vielfach gewürdigt.

Am Eingang des Ötztals ist von Mai bis September im Ötztal Infopoint Ambach eine „Ötzi“-Ausstellung zu sehen. Das Naturpark-Familienfest am 17. Juli in Niederthai trägt das Motto „Ötzi und sein Lebensraum“. Vom Schnalstal aus organisieren Bergführervereinigung und Tourismusverein jede Woche zwischen dem 21. Juni und dem 4. Oktober eine geführte Gletschertour zur Ötzi-Fundstelle. An drei Terminen im Juli, August und September laden die Guides des archeoParc und des Südtiroler Naturparks Texelgruppe zu zweitägigen Exkursionen ins Tisental „Auf den Spuren des Ötzi“ ein, mit Übernachtung auf der Similaunhütte. Am Ötztaler Talschluss begleiten die Naturparkführer von Obergurgl die Wanderer während der Sommersaison jeden Freitag bei der Wanderung „Natur & Kultur“ sachkundig in „Ötzis“ Welt, mitten hinein in die Schönheit und die Stille des seit Jahrtausenden unberührten Ötztaler Hochgebirges.

Fotonachweis: Ötztal Tourismus
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